Himmelfahrt ins Nichts!
Das ist der Titel eines bemerkenswerten Buches, das der deutsche Philosoph und Politiker Dr. Herbert Gruhl 1992 herausgab und in dem er die sich zuspitzende Lage auf unserem Globus mit wissenschaftlicher Akribie beschrieb, allerdings mit einem geradezu apokalyptischen Ausblick auf die Zukunft der Menschheit.
Ausschlaggebend für diese pessimistische Einstellung war seine Überzeugung, dass die mit drastischen Einschnitten verbundene, aber unerlässliche Kurskorrektur des menschlichen Benehmens in einem demokratischen System nicht möglich sei, weil alle Politiker oder Parteien, die eine solche einschränkende Politik vertreten, selbstredend von den Wählern ins Abseits verbannt würden.
Wenn man die Lage des Ministaates Luxemburg an der Schwelle des neuen Jahres betrachtet, fühlt man sich unwillkürlich an die Thesen des 1993 verstorbenen Herbert Gruhl erinnert, wenn auch in einem anderen Zusammenhang.
Die Schicksalsfrage lautet, ob es in Luxemburg noch möglich sein wird, rechtzeitig die Notbremse zu ziehen, bevor die „Himmelfahrt ins Nichts“ nicht mehr aufzuhalten ist. In den Jahren 2009-2012 wurde die Chance jedenfalls vertan, unser Land rechtzeitig auf dauerhaft veränderte Verhältnisse einzustellen. Ausser einigen eher kosmetischen Korrekturen ist nichts passiert, was die finanzielle Lage Luxemburgs langfristig stabilisieren könnte.
Staatsdefizite von 1,5 bis 2 Milliarden Euro gehören schon fast zur Normalität; daran vermochte auch der trefflich inzenierte Aufstand einiger Mehrheits-Abgeordneter gegen den initialen Budgetsentwurf der Regierung nichts zu ändern. So wird die Fahrt in die Überschuldung ungebremst fortgesetzt. Nie ist das Schlagwort vom „séchere Wee“ der CSV deutlicher als populistische Irreführung entlarvt worden als in der heutigen Zeit.
2014 ist ein Wahljahr und damit verrinnt wiederum wertvolle Zeit, weil tunlichst nichts unternommen wird, was die Wähler vergraulen könnte. Der „séchere Wee“ in die Schuldenfalle wird ungemindert fortgesetzt. Mit mathematischer Unerbittlichkeit steigt damit der Druck, immer drastischere Einschnitte bei den Staatsausgaben vorzunehmen, dies auch vor dem Hintergrund, dass 2015 die hohen TVA-Einnahmen aus dem elektronischen Handel weitgehend wegbrechen werden.
Es sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass Staatsminister Juncker, nachdem er die Angelegenheit zur „Chefsache“ erklärt hatte, vor den Wahlen von 2009 die Gehälter des Lehrpersonals in den Grundschulen großzügig heraufsetzte, um sich deren Stimmen zu erkaufen, obschon die finanzielle Katastrophe damals bereits klar ersichtlich war. Dass der gleiche Staatsminister nun einen Appell an die Öffentlichkeit richtet, man solle ihm „edle“ Vorschläge unterbreiten, wie man sparen könnte ohne die lahmende Konjunktur abzuwürgen, spricht Bände.
Luxemburg leidet unter chronischer Führungsschwäche. Solange die Geldquellen munter sprudelten, war es keine Kunst, Volksbeglückung zu betreiben und sich auf diese Weise Wahlsiege zu erkaufen. Wahre Führungspersönlichkeiten erkennt man erst in Krisenzeiten, dann wenn mutige Entscheidungen, Überzeugungskraft und Durchsetzungsvermögen verlangt sind. Davon ist bei der aktuellen Landesführung derzeit aber meilenweit nichts zu sehen.
Trotz dramatischer Haushaltsdefizite, die tiefgreifender struktureller Natur sind, übt die Regierung sich im „Business as usual“. So als wäre nichts geschehen. Oder als würde die Lage sich in zwei Jahren wieder grundlegend zum Besseren wenden. Eine wahre Katastrophe, die ihren Ursprung in anhaltend chronischer Führungsschwäche hat.
Die entscheidende Frage lautet, wie lange die Jugend, deren Zukunft mit dieser unverantwortlichen Schuldenpolitik auf Jahrzehnte hinaus schwerstens hypothekiert wird, dieser „Himmelfahrt ins Nichts“ noch tatenlos zusieht. Hoffentlich nicht mehr lange.
Robert Mehlen, Präsident f.f. der ADR
Dësen Artikel ass de 4. Januar an der Rubrik “Zu Gast” vum Lëtzebuerger Land publizéiert ginn.
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